Buchtipp: Big Tech Muß Weg

Schon der etwas reißerische Titel von Martin Andrees Buch macht klar, um was es ihm geht: „Big Tech muss weg!“ – das klingt zunächst etwas platt und infantil, doch entpuppt sich bereits nach wenigen Seiten als ernsthafter als erwartet. Andree, Professor für Digitale Medien an der Universität Köln und Gründer einer Beratungsfirma für digitale Innovation, ist ein ausgewiesener Experte, der seit Jahren zu den Machtstrukturen im Netz forscht. Er ist in den Medien präsent, berät Unternehmen und Politik und weiß offensichtlich wovon er spricht. Genau das merkt man dem Buch an: Hier schreibt jemand, der die Mechanismen von Big Tech nicht nur aus der Ferne beobachtet, sondern sie mit eigenen Messungen und Studien belegen kann

Andree überrascht mit direkten, umgangssprachlichen Formulierungen, für ein Sachbuch überraschend „einfach“ geschrieben. Das liest sich manchmal wie ein wütender Kommentar-Thread, aber genau das macht es so direkt und verständlich. Inhaltlich überrascht das Buch auf den ersten Blick nicht wirklich: Die großen Digitalkonzerne sind zu mächtig, sie bestimmen, was im Netz läuft, und wir alle sind längst Teil dieses Systems. Das weiß man eigentlich alles. Trotzdem ist es erschreckend, wie Andree die Zusammenhänge aufzeigt und wie klar wird, wie tief die Abhängigkeit inzwischen reicht. Wenn man das alles so geballt und schonungslos vorgeführt bekommt, wirkt es noch einmal ganz anders – und man fragt sich, wie es so weit kommen konnte.

Besonders eindrücklich ist, wie Andree mit eigenen wissenschaftlichen Messungen belegt, dass der Großteil des deutschen Internet-Traffics von einer Handvoll US-Plattformen kontrolliert wird. Der Rest des Netzes ist, so Andree, ein „gigantischer Friedhof“. Das freie, offene Internet, das einmal als demokratischer Raum gedacht war, existiert in dieser Form praktisch nicht mehr. Die Plattformen haben sich wie eine zweite Schicht über das Netz gelegt und saugen den Traffic in ihre eigenen Silos ab. Die Folgen sind dramatisch: Nicht nur die Medienbranche, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft geraten immer stärker in die Abhängigkeit dieser Konzerne.

Der traurigste Aspekt des Buches ist jedoch sein Erscheinungsjahr. Das Buch ist von 2023 und damit schon nicht mehr aktuell. Seitdem hat sich die Lage eher noch verschärft, viele Entwicklungen sind inzwischen sogar noch dramatischer. Das schmälert den Wert des Buches aber nicht, im Gegenteil – es zeigt, wie schnell die Realität die Warnungen überholt.

Trotz aller Kritik und düsteren Szenarien endet Andree nicht resigniert. Im Gegenteil: Er macht Mut, dass mit mehr Regulierung, offenen Standards und politischem Willen noch etwas zu retten ist. Diese positive Aussicht tut gut, gerade nach all den Kapiteln, in denen man sich fragt, ob das Internet überhaupt noch zu retten ist.

Was ich für mich mitnehme? Monopole meiden, wo immer es geht. Offene Standards nutzen und unterstützen. Und da, wo es möglich ist, auf die Politik einwirken, damit endlich die richtigen Regeln geschaffen und durchgesetzt werden. Denn klar ist: Von alleine wird sich nichts ändern – aber es gibt noch Hoffnung, wenn wir uns bewegen.

Mehr Infos zum Buch gibt es auf der offiziellen Homepage: https://bigtechmussweg.de/ Es sollte bei allen Buchhändlern zu finden sein. Kauft es bitte nicht bei Amazon.

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