Linux statt Windows oder macOS

Der erste Artikel in dieser Reihe beschäftigt sich mit dem offensichtlichsten Thema, wenn es um Alternativen in der IT geht: Linux. Gehört hat davon jeder schon mal, die verbreitetste Vorstellung ist vermutlich, dass es sich dabei um ein Betriebssystem handelt, das eh nur die schlimmsten Nerds nutzen. Das ist so natürlich nicht ganz richtig. Zum einen nutzt nahezu jeder ständig in irgendeiner Form Linux, meist ohne es zu merken. Das Smartphone-Betriebssystem Android, das in Deutschland einen Marktanteil von etwa 74 % hat, basiert auf Linux. Ein großer Teil der Serverinfrastruktur im Internet und in Unternehmen läuft mit Linux. Fast alle der „anderen“ Geräte, die wir so nutzen – seien es Router, Videoplayer, die wir an unsere Fernseher anschließen, die Fernseher selbst, Smart-Home-Geräte, Staubsauger- und Rasenmäherroboter – sehr vieles davon läuft mit einem Linux-Kernel. Das zweite Missverständnis ist, dass Linux allein erst mal gar kein Betriebssystem darstellt. Linux ist ein Betriebssystem-Kernel, stark vereinfacht gesprochen ist es der Motor, der ein Betriebssystem antreibt. Dieser Kernel wurde 1991 von Linus Torvalds entwickelt. An dem damaligen Hobbyprojekt eines Studenten arbeiten heute tausende Programmiererinnen und Programmierer aus aller Welt mit, geleitet wird die Entwicklung weiterhin von Torvalds. Linux ist vollständig „Free Open Source Software“ (FOSS)*, das heißt, die Quellcodes sind komplett frei zugänglich. Jeder hat die Möglichkeit, sich die „Innereien“ anzuschauen, zu kopieren und sie nach eigenem Bedarf selbst anzupassen. Mit diesem Kernel kann ein Benutzer nun erst mal nicht viel anfangen. Damit daraus ein funktionstüchtiges Betriebssystem wird, benötigt man unter anderem eine Benutzeroberfläche und Software, die den Computer überhaupt benutzbar macht. Eine Zusammenstellung von Linux-Kernel, Benutzeroberfläche, Software usw. nennt man „Linux-Distribution“, und davon gibt es viele. Doch dazu später mehr.

Warum sollte man denn nun in Betracht ziehen, Linux auf seinem Computer zu verwenden? Aktuell gibt es im Bereich der Desktopcomputer zwei relevante Betriebssystemhersteller: Microsoft und Apple. Apple hat mit seinem macOS-System derzeit einen weltweiten Marktanteil von etwa 16 %. Die Besonderheit bei Apple ist, dass deren Betriebssystem nur auf Apples eigenen Computern läuft (zumindest offiziell). Daher kann Apple eine hohe Stabilität seiner Systeme gewährleisten und durch die perfekt aufeinander abgestimmten Komponenten eine reibungslose Benutzererfahrung bieten. Dafür zahlt der Nutzer aber nicht nur monetär einen hohen Preis, sondern sperrt sich damit (mehr oder minder freiwillig) in Apples goldenen Käfig ein: Seine Vorteile spielt das System nämlich nur dann aus, wenn man sich komplett – vom Computer über Handy und Uhr bis hin zum Medienspieler – an das Apple-Ökosystem bindet.

Den mit weitem Abstand größten Marktanteil bei den Betriebssystemen belegt natürlich Microsoft mit seinen Windows-Systemen. Windows ist nicht an einen Hardwarehersteller gebunden und funktioniert praktisch auf jedem aktuell erhältlichen Computersystem. War Windows früher, zu Zeiten von Windows 95, 98 und vor allem Me, als extrem instabiles und unsicheres System verschrien, hat sich sein Ruf seit Windows XP deutlich gebessert. Die aktuellen Versionen Windows 10 und 11 verrichten auf Millionen privat und beruflich genutzter Rechner weitgehend klaglos ihren Dienst. Unbeliebt macht sich Microsoft aktuell eher mit fragwürdigen Designentscheidungen, immer stärker werdender Datenübermittlung des Systems an den Hersteller und der Tatsache, dass Microsoft im Oktober dieses Jahres Millionen Rechner weltweit praktisch unbrauchbar machen wird. Im Oktober 2025 läuft nämlich die Unterstützung für Windows 10 aus, das heißt, das System wird keine sicherheitsrelevanten Updates mehr bekommen. Bei der extrem hohen Verbreitung von Windows 10 wird es also nicht lange dauern, bis Angreifer bisher unbekannte Schwachstellen finden und ausnutzen. Nun bietet Microsoft ja für alle Nutzer von Windows 10 grundsätzlich ein kostenloses Update auf Windows 11 an – also gibt es doch gar kein Problem, oder? Leider hat Microsoft die Hardwareanforderungen für Windows 11 gegenüber dem Vorgänger stark erhöht. Auf älteren Rechnern, die bestimmte Prozessorfunktionen nicht unterstützen, lässt sich Windows 11 nicht installieren. In den allermeisten Fällen wäre die Leistung dieser Rechner aber durchaus ausreichend für Windows 11, das sich technisch gar nicht so sehr von Version 10 unterscheidet. Firmen und Privatnutzer, die nicht das Risiko eingehen möchten, mit einem veralteten System online zu gehen, bleiben im Herbst dann mehrere Möglichkeiten:

  • Sie können neue Hardware anschaffen, so wie Microsoft und die von ihnen umgarnten Hardwarehersteller das gerne möchten.
  • Sie können bei Microsoft noch drei Jahre zusätzliche Updates kaufen. Der Preis hierfür wird voraussichtlich höher liegen als bei der Anschaffung eines neuen Computers, sodass diese Option wohl nur für gewerbliche Nutzer, die unbedingt auf den Weiterbetrieb von Windows 10 angewiesen sind, in Frage kommt.
  • Sie können ihrem alten PC mit der Installation einer Linux-Distribution neues Leben einhauchen.
  • (Eine vierte Möglichkeit möchte ich nur am Rande erwähnen: Es gibt auch die Möglichkeit, Microsofts Hardwareanforderungen zu umgehen und Windows 11 auch auf nicht unterstützten Rechnern zu installieren. Da aber unklar ist, wie stabil solche Rechner in der Zukunft laufen, möchte ich diese Option hier ausklammern.)

Wenn du dich nun also entschieden hast, aus Apples goldenem Käfig auszubrechen, Microsofts Datensammelwut zu entgehen oder dich ganz einfach nicht von der Willkür zweier der größten Unternehmen der Welt abhängig machen möchtest, bietet dir die Linux-Welt unzählige Möglichkeiten. Und hier liegt wohl schon eine der größten Hürden: Es ist gar nicht so einfach, sich für eine Linux-Distribution zu entscheiden. Durch den freien und offenen Ansatz gibt es unüberschaubar viele Linux-Distributionen. Die Seite DistroWatch führt aktuell über 900 Distributionen auf, davon etwa 270, die noch aktiv weiterentwickelt werden. Wo also anfangen? Die Distribution Ubuntu ist wahrscheinlich die bekannteste. Ubuntu zeichnet sich durch ein vergleichsweise einsteigerfreundliches Bedienkonzept und ein vollständiges Softwarepaket aus. Wenn es doch mal irgendwo klemmt, finden sich im Netz dank der sehr großen Nutzerbasis schnell Hilfen und Lösungsansätze. Ebenfalls sehr beliebt und für Windows-Umsteiger empfehlenswert ist das auf Ubuntu basierende Linux Mint, das sich vor allem durch seine sehr Windows-ähnliche Bedienung von Ubuntu abhebt. In jüngster Zeit erblicken auch immer mehr Distributionen das Licht der Welt, die sich an Gamer richten, wie z. B. Garuda oder Nobara. War Gaming auf dem PC bis noch vor einigen Jahren ausschließlich Windows vorbehalten, kann man mittlerweile die meisten Spiele einwandfrei unter Linux ausführen – in manchen Fällen sogar besser als unter Windows (das Thema „Gaming und Linux“ ist aber sehr umfangreich, dem werde ich zu einem späteren Zeitpunkt einen ausführlichen Artikel widmen). Es gibt spezialisierte Distributionen für Audio- und Videoproduktion (z. B. Ubuntu Studio oder AV Linux) oder minimalistische Distributionen, die auch auf wirklich uralten Rechnern laufen. Wer sich eingehend damit beschäftigen will, dem sei die bereits erwähnte Seite DistroWatch.com empfohlen. Wer einfach nur ein System braucht, mit dem er im Internet surfen, E-Mails schreiben und hier und da mal einen Text verfassen kann, dem kann ich Linux Mint wärmstens empfehlen. Nahezu alle modernen Linux-Distributionen lassen sich auf einem USB-Stick installieren (Anleitungen dazu gibt es zuhauf im Netz) und das System testen, ohne irgendetwas an seinem bestehenden System verändern oder löschen zu müssen. Hat man sich für eine Distribution entschieden, lässt sich diese dann einfach mit ein paar Mausklicks installieren. Man kann dabei in der Regel wählen, ob das Linux-System zusätzlich zum bereits vorhandenen Windows oder macOS installiert werden soll oder ob die Festplatte komplett gelöscht wird.

Das ist jetzt der Punkt im Text, an dem ich schreiben müsste, wie reibungslos das alles funktioniert. Und ja, meistens tut es das auch. Gerade Linux Mint habe ich schon auf viele ältere Rechner installiert und das System lief von Anfang an wirklich problemlos und stabil. Ich wage auch zu behaupten, dass gerade diejenigen, die sich am wenigsten mit ihrem Computer beschäftigen, auch die wenigsten Probleme mit einem Umstieg haben werden und kaum merken, dass sie mit einem anderen System als Windows arbeiten. Schwieriger wird es immer bei Personen, die sich so ein bisschen auskennen, wissen, wie sie in Windows Einstellungen verändern und wie sie Programme installieren. Das funktioniert in der Linux-Welt nämlich ein wenig anders. Bei der Installation von Software läuft das (in den meisten Fällen) sogar deutlich komfortabler ab, als die meisten das kennen. Jede Distribution nutzt eine sogenannte Paketverwaltung, über die sich Software für jeden erdenklichen Einsatzzweck finden und mit einem Mausklick installieren lässt. Man kennt das vom Smartphone – der von Android bekannte „Play Store“ ist genau das: eine Paketverwaltung. Problematisch wird es für Laien aber immer dann, wenn man etwas „außergewöhnlicheres“ machen möchte. Wenn man einen ganz exotischen Drucker zuhause hat, der vom Linux-Kernel nicht direkt erkannt wird. Wenn man (wie in meinem Fall) einen Kartenleser für eine Signaturkarte an eine virtuelle Maschine durchreichen muss. Ja, auch für fast alle solchen Spezialfälle finden sich Lösungen im Netz, aber fast immer erfordern diese den Einsatz eines Werkzeugs, dessen Anblick viele Menschen erschaudern lässt: die Konsole! (Hier gedanklich Donnergrollen einspielen!)

Die Konsole (auch Terminal oder Shell) ist ein mächtiges Werkzeug, um durch direkte Eingabe von Befehlen den Computer zu steuern. Auch in Windows und macOS gibt es Konsolen, aber die wenigsten Nutzer bekommen diese zu Gesicht. Im Linux-Leben wird es aber wahrscheinlich früher oder später den Punkt geben, an dem ihr zur Lösung eines Problems auf die Konsole müsst. Das sollte aber niemanden abschrecken. Wer so gar nicht weiß, was er damit anfangen soll, wird hier das Gleiche tun, was er bei Windows-Problemen auch schon immer getan hat: die Tochter, den Enkel, den Nachbarn, die Cousine vom Schwager oder wer auch immer sonst für IT-Hilfe zur Verfügung steht, fragen. Auch mit minimalen Grundkenntnissen erzielt man unter Linux dank der riesigen Community schnell Erfolge. Und sehr schnell lernt man die Konsole als seinen besten Freund schätzen und lässt immer häufiger die Finger von der Maus.

Wie sind nun meine eigenen Erfahrungen mit Linux und welche Distribution(en) nutze ich? Ich schreibe diese Zeilen gerade auf einem etwa 15 Jahre alten Laptop, den Microsoft schon sehr lange nicht mehr unterstützt. Dank der minimalistischen Linux-Distro „Mabox“ fühlt sich das Teil (fast) wie neu an. (Warum ich so ein uraltes Teil benutze? Zufälligerweise passt das Teil ganz genau auf das Bedienteil unseres Ergometers, so kann ich tippen, während ich in die Pedale trete…) Auf meinem Alltagslaptop nutze ich Manjaro, das bietet den Vorteil des Rolling-Releases, das heißt, dass Neuerungen im Linux-Kernel dort sofort übernommen werden und man immer auf dem neuesten Stand bleibt. Das führt aber gerne mal zu Problemen, daher würde ich Manjaro nicht für Anfänger empfehlen. Die letzte Windows-Bastion in meinem Haushalt war bis vor kurzem noch der „große“, unter anderem für Spiele genutzte Desktop-Rechner. Hier habe ich letzte Woche endlich Windows über Bord geworfen und bin auf Pop!_OS gewechselt. Pop!_OS basiert auch auf Ubuntu, bietet eine angepasste moderne Oberfläche, die auf meinem ungewöhnlichen Bildschirm im 32:10-Format ihre Stärken ausspielen kann. Die für mich wichtigen Programme, darunter natürlich der Steam-Client, waren mit wenigen Mausklicks installiert und nur ein paar Minuten nach der Installation war der Rechner spielbereit. Mein Zwischenfazit nach wenigen Tagen ist überaus positiv. Meine Langzeiterfahrung werde ich natürlich hier im Blog mit euch teilen.

Wie sieht es bei euch aus? Nutzt ihr bereits Linux, seid ihr interessiert umzusteigen oder kommt das für euch nicht in Frage? Schreibt es in die Kommentare, Instagram und Co. nutze ich aus offensichtlichen Gründen nämlich nicht. Aber dazu später mehr…


* Bei den Recherchen zu diesem Artikel habe ich gelernt, dass man aktuell eher von „FLOSS“ spricht, also „Free/Libre Open Source Software“, da in den meisten weit verbreiteten Sprachen das Wort für Freiheit von „Libre“ abgeleitet ist. Muss ich mich noch dran gewöhnen.

3 Antworten zu „Linux statt Windows oder macOS“

  1. Avatar von Steffen

    Vielen Dank für diesen spannenden und einsichtsreichen Artikel. Mich hält derzeit noch von einem Umstieg ab, dass ich als Tool-Junkie unzählige kleine Helferlein installiert habe und für mich nutze. Diese alle auf Linux „nachzubilden“ würde sehr lange dauern – befürchte ich zumindest.

    Darüber hinaus ist Windows einfach bequem, ich habe ein wenig Wissen darüber aufbauen können und scheue mich ein wenig davor dieses Wissen auch für Linux aufbauen zu müssen. Die normalen First-World-Problems von Boomern also. 😉

    Ich bleibe also erstmal bei Windows.

  2. Avatar von Benni
    Benni

    Cool geschrieben! Ich kämpfe mit Linux auf einem Raspberry Pi – eine Erfahrung, die irgendwo zwischen “Ich lerne echt viel!” und “Warum tue ich mir das an?” schwankt. Jedes zweite Problem führt mich in ein Wiki, das aussieht, als wäre es 1998 stehengeblieben, und jedes dritte in einen Forenbeitrag, in dem jemand meine Frage schon vor zehn Jahren gestellt hat.

    Privat bleibe ich also weiter im goldenen Apple-Käfig sitzen, wo alles einfach funktioniert (und mich das System dabei so liebevoll umarmt, dass ich die Gitterstäbe kaum bemerke). Beruflich bleibe ich Windows treu – nicht weil ich es liebe, sondern weil ich es so gut kenne, dass ich all seine Macken in Sekunden umschiffe. Effizienz siegt halt über Ideologie. Aber Respekt an alle, die sich komplett auf das Linux-Abenteuer einlassen – möge euer Terminal immer grünes Licht zeigen!

    1. Avatar von steffen

      Hallo Benni, danke für Deinen Kommentar und sorry, dass ich den so spät freigeschaltet habe. Dieses Blogmanagement ist mir noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Ich gelobe Besserung.

      Ich freue mich tatsächlich immer wenn das Internet ein bisschen mehr wie 1998 aussieht, aber das ist wohl Geschmackssache. (Ich glaube ich sollte hier noch ein paar blinkende Schriftzüge einbauen…)

      Bei Problemen mit dem Raspberry versuche ich auch gerne zu helfen. Du weißt ja wo ich wohne.

      Pure Vernunft darf niemals siegen.

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